Erhaltungskulturen gefährdeter Pflanzenarten

Die wichtigsten Ursachen für das gegenwärtige rapide Aussterben von Pflanzen- und Tierarten gehen auf menschliche Aktivitäten zurück. Dazu gehören neben direkten Einflüssen, wie Zerstörung von Lebensräumen und Sammeltätigkeit (z. B. seltener Orchideen), auch indirekte Wirkungen durch veränderte Landnutzung oder Klimawandel. Da auch das Leben und die Lebensqualität des Menschen unmittelbar an die Güter und Dienstleistungen gebunden sind, die mit der biologischen Vielfalt einhergehen, wird die Erhaltung der biologischen Vielfalt als bedeutende gesellschaftliche Aufgabe verstanden.

Die Globale Strategie zum Schutz der Pflanzen (Global Strategy for Plant Conservation, GSPC) ist ein international verbindliches Abkommen mit dem Ziel, den Verlust an pflanzlicher Artenvielfalt zu stoppen. In 16 sog. Handlungs-feldern werden Teilziele bis zum Jahr 2020 formuliert, u. a. dass mindestens 75 % der gefährdeten Pflanzenarten „in situ“, d. h. an ihrem derzeitigen Wuchsort, erhalten werden sollen. Darüber hinaus sollen mindestens 75 % der gefährdeten Arten in Erhaltungskulturen in Botanischen Gärten überführt werden („ex situ“), um sie vor dem Aussterben zu bewahren (für die in Deutschland verbindliche Umsetzung vgl. die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt).

Potentilla wismariensis

In Deutschland sind etwa 3000 Gefäßpflanzenarten beheimatet, davon in Mecklenburg-Vorpommern rd. 1800. Von diesen sind bereits 45 % gefährdet oder ausgestorben, darunter auch Arten, die in keinem zweiten Gebiet auf der Welt zu finden sind (sog. Endemiten), wie z. B. das Wismarer Hügel-Fingerkraut (Potentilla wismariensis) und das Schweriner Gabelige Habichtskraut (Hieracium bifidum ssp. schwerinense).

Auf der Grundlage dieser Gefährdungssituation und des Anteils des Landes am Gesamtverbreitungsgebiet einer Art („Raumbedeutsamkeit“) wurde im Florenschutzkonzept für Mecklenburg-Vorpommern eine Artenliste durch den Naturschutzbund Deutschland, Arbeitsgemeinschaft Geobotanik Mecklenburg-Vorpommern, erarbeitet. Mit ihr ist es möglich, Prioritäten zu setzen, um die Arten zu identifizieren, für die das Land eine hohe Verantwortlichkeit für die Erhaltung besitzt und für die der größte Handlungsbedarf besteht.

Hieracium bifidum ssp. schwerinense

Es ist absehbar, dass einige Arten an ihren jetzigen Wuchsorten aufgrund ihrer Seltenheit hochgradig gefährdet sind und allein aufgrund genetischer Verarmung möglicherweise nicht überleben werden. Es bleibt als letzte Rettungsmaßnahme oft nur die Überführung in eine Erhaltungskultur eines Botanischen Gartens. Hier werden die Pflanzen so weit vermehrt, dass sie anschließend an noch vorhandenen geeigneten natürlichen Wuchsorten wieder angesiedelt werden und die Populationen genetisch bereichern können. Hiermit wird die frühere Dynamik der Populationen nachgeahmt, die aufgrund kürzerer Entfernungen in einem kleinteiligen Mosaik extensiv bewirtschafteter und gestörter Flächen und regen Samentransports durch beinahe allgegenwärtige Weide- und Wildtiere wesentlich höher war, welche die gewachsene Kulturlandschaft durchstreiften. In enger Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund Deutschland, Arbeitsgemeinschaft Geobotanik Mecklenburg-Vorpommern, und dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) kultiviert der Botanische Garten Rostock rd. 30 Arten, die im Florenschutzkonzept mit einem hohen Handlungsbedarf eingestuft wurden.

Das Projekt ist eingebettet in die nationale Initiative Erhaltungskulturen einheimischer Wildpflanzen sowie das globale Netzwerk Botanischer Gärten zur Erhaltung bedrohter Pflanzenarten Botanic Gardens Conservation International.